8. Mäerz

Internationale Fraendag

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Marguerite Thomas-Clement (1886-1979)

Die parlamentarische Sprecherin der Frauen

Marguerite Clement wird 1886 in der Stadt Luxemburg geboren. Im Jahre 1917 heiratet sie Xavier Thomas, Sozialist und Mitglied der “Action républicaine”.1 Bei den ersten Wahlen von 1919 nach dem Prinzip des allgemeinen Wahlrechts wird die Lehrerin auf der sozialdemokratischen Liste im Wahlbezirk Zentrum gewählt. Ihr gelingt somit als einziger Frau der Sprung ins Parlament.2 1920 schon reicht sie einen Gesetzesvorschlag ein, der “nach der politischen Gleichstellung, auch die zivile und wirtschaftliche Gleichstellung der beiden Geschlechter” vorsieht. Er hat jedoch keinen Erfolg.3

Marguerite Thomas-Clement spricht im Parlament Themen an, die in der Luxemburger Gesellschaft der 1920er Jahre meist ignoriert werden. Sie weist auf die schlechten Arbeits- und Lohnbedingungen der Frauen hin, die in der Eisenindustrie arbeiten. Sie kritisiert die miserable Lage der weiblichen Hilfsangestellten beim Staat, reicht erfolgreich eine Motion zur Beschränkung des Alkoholausschanks ein und macht sich zur “Sprecherin der Frauen”, als sie die unhaltbaren hygienischen Zustände in der hauptstädtischen Geburtsklinik anprangert. Die Abgeordnete zögert auch nicht, sich für Prostituierte einzusetzen, die wegen ansteckender Krankheiten im Frauengefängnis inhaftiert werden.

Von 1919 bis 1931 bleibt Marguerite Thomas-Clement die einzige Luxemburger Abgeordnete. 1924 kommt es in der Hauptstadt zu Neuwahlen, wobei Marguerite Thomas-Clement gut abschneidet und Schöffin in einer sozialistisch-liberalen Koalition wird. Bald darauf wendet sie sich von der Arbeiterpartei ab und tritt einer radikal-sozialistischen Gruppierung bei. Aufgrund des Zersetzungsprozesses innerhalb dieser politischen Strömung wird sie im Jahre 1931 nicht mehr wiedergewählt.

Ein Zeitzeuge beschreibt sie folgendermaßen:

„Sie hat eine Sicherheit im Auftreten, die manche verblüfft. Wir würden, wenn wir […] nicht einer Dame gegenüber galant sein wollten, dafür den treffenden gallischen Ausdruck „culot“ gebrauchen. Mit dieser Sicherheit schwebt und rauscht sie durch den Sitzungssaal der Kammer, die Beratungszimmer des Schöffenrates […] und durch die qualmenden, schwitzenden und keifenden Volksversammlungen, die sich zu Wahlzeiten um das Katheder der Dorfschule und die Tribüne der Tanzdiele drängen. Sie spricht mit sicherem Geschick und genauer Erfassung der Volkspsychose. In leichtem, fülligem tändelndem Genre und dabei übersichtlich klarer und reiner Form. Platt und französisch.

[…] Ihre politische Haltung der letzten Jahre ist lediglich durch den Haß bedingt, der sie von einigen Führern der Arbeiterpartei trennt. Diesem Haß hat sie Alles geopfert: Ihre Prinzipien, ihr Programm, ihre Freunde und – ihre Zukunft!“ 4


1 Renée Wagener, Sprecherin der Frauen: Marguerite Thomas-Clement die erste Luxemburger Abgeordnete, in: Germaine Goetzinger, Antoinette Lorang, Renée Wagener (Hrsg.) “Wenn nun wir Frauen auch das Wort ergreifen…”, Luxembourg 1997, S. 100.

2 Sonja Kmec, Renée Wagener (et al.), Frauenleben–Frauenlegenden. Ein Streifzug durch 1000 Jahre Stadtgeschichte: Persönlichkeiten, Geschichte(n) und Hintergründe, Luxembourg, 2007, S. 16.

3 Ebenda.

4 Luxemburger Landes-Zeitung und Freie Presse, 26. Februar 1929, S. 1.