8. Mäerz

Internationale Fraendag

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1920-1930

Die Frauen kämpfen um vollständige Gleichstellung

In den Zwanzigerjahren entdecken die Frauen die neuen Berufe. Die Staatsverwaltungen öffnen sich, wenn auch zögerlich, für Frauen. Die ersten Studentinnen kehren mit akademischen Diplomen nach Luxemburg zurück und werden Rechtsanwältinnen,1 Gymnasiallehrerinnen oder gar Ärztinnen.2 Doch die Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen wird von konservativer Seite abgelehnt. Besonders verheiratete Lehrerinnen stehen immer stärker unter Druck. Nun macht sich bemerkbar, dass mit dem Frauenwahlrecht nur die erste Schlacht geschlagen ist – verheiratete Frauen werden zivilrechtlich weiterhin diskriminiert.

Politische Emanzipation genügt nicht

Deshalb reicht Marguerite Thomas-Clement 1920 einen Gesetzesantrag zur bürgerlichen und wirtschaftlichen Gleichstellung der beiden Geschlechter ein. Doch er verschwindet, genau wie jene einiger männlicher Abgeordneten, in den Schubladen des Parlaments.

Insgesamt ist die Lobby für die Frauen noch schwach: Trotz des 1919 eingeführten Frauenwahlrechts ist es nicht zu einer regen Teilnahme von Frauen an der Politik gekommen. Sowohl bei National- als auch bei Kommunalwahlen bleibt die politische Beteiligung von Frauen eine Seltenheit. Innerhalb der Parteien besteht nur ein beschränktes Interesse daran Frauen einzubeziehen, und in der luxemburgischen Gesellschaft herrscht der Glaube vor, dass mit dem Wahlrecht die Frauenfrage erledigt sei.

Außerhalb des Parlaments ordnet sich die Frauenbewegung neu. Der „Verein für die Interessen der Frau“ wird nach dem Krieg nicht mehr aktiv, dagegen erhält der „Katholische Frauenbund“ Konkurrenz durch die „Action féminine”. Diese Frauenvereinigung wird 1924 von der Lehrerin und aus dem katholischen Frauenbund ausgetretenen Catherine Schleimer-Kill gegründet.

Neue Frauenorganisationen entstehen

Die „Action féminine“ setzt sich intensiv mit den Auswirkungen der politischen Gleichberechtigung der Frauen auseinander. Bei den Gemeindewahlen 1928 stellt die „Action féminine“ in Esch-Alzette eine reine Frauenliste auf. Gewählt wird Catherine Schleimer-Kill.

1926 fordert die „Action féminine“ die Abgeordnetenkammer auf, „eine Kommission um die Revision des Bürgerlichen Gesetzbuches im Sinne der weiblichen Forderungen“ einzusetzen.3 In der Monatszeitschrift „L‘Action féminine“ weist Catherine Schleimer-Kill auf die Wichtigkeit der politischen Partizipation von Frauen hin:

„Nur Frauen in der Kammer, die wissen, wo die Gesetzgebung die Rechte der Frau und der Familie schmälert, können unseren Forderungen Gehör verschaffen. Wie oft beklagt ihr euch über ungerechte Gesetze, unter denen ihr leidet, sie werden erst dann umgeändert, wenn Frauen in der Kammer für euch eintreten […]. Im Wahlzettel habt ihr die Macht in den Händen, eine Macht, die euch schneller zum Ziele führt als Versammlungen und Eingaben an Regierung und Kammer. Wisset diese Macht zu gebrauchen! […] Wählet Frauen!“4

Die „Action féminine“ setzt sich ebenfalls intensiv mit den Ungerechtigkeiten des Code civil auseinander, der die verheiratete Frau in der Unmündigkeit hält:

„Entwürdigend für die Frau, dieser Zustand der Minderjährigkeit! […] diese aus der Zeit des Autokraten Napoleon stammenden Gesetze […] stehen übrigens im Widerspruch mit der modernen Gesetzgebung, die der Frau im Wahlrecht das Mitbestimmungsrecht im öffentlichen Leben gibt, es ihr aber im Familienleben vorenthält.“5

 

Auf Seiten der Arbeiterbewegung gründet die Lehrerin Henriette Clement-Bessling 1927 die Frauenorganisation „Le Foyer de la Femme“, die ihren Aktivitätsschwerpunkt auf soziale und Familienfragen ausrichtet. Anfang 1928 erscheint, als Beilage zum Escher Tageblatt, die erste Nummer der Page de la Femme, die die Leserinnen über den Verein, sein Kinderferienwerk und Frauenfragen informiert.

Der Internationale Frauentag wird auch in Luxemburg gefeiert

In der Beilage vom 20. März 1929 finden sich erstmals auch Informationen über den Internationalen Frauentag. Der „Foyer de la Femme“ ruft zur Feier des Kampftages in Luxemburg auf:

„Auf der Kopenhagener Frauenkonferenz im Jahre 1911 wurde die Abhaltung von internationalen Frauentagungen beschlossen. Damals waren die Voraussetzungen für einen solchen Kampf- und Feiertag der Frauen anders als heute. […] Wir kämpfen nicht mehr um die politischen Rechte, sondern wir haben die Aufgabe, an der Seite des Mannes für die Arbeiterklasse und ihre Kinder zu kämpfen.“6

 

 

„Am Samstag, den 23. März…findet im großen Festsaale des ,Maison du Peuple’ ein großer Frauenabend statt. In allen Ländern wird der Internationale Frauentag mit großen Demonstrations- und Festversammlungen abgehalten werden. Auch unsere Versammlung muss sich zu einer imposanten Kundgebung gestalten.“7

 

Der „Foyer de la Femme“ kämpft ebenfalls gegen die Diskriminierung der verheirateten Frau:

„Die Frau verliert mit der Heirat eines Ausländers ihre Staatszugehörigkeit, sie gibt mit der Heirat ihre unbeschränkte Geschäftsfähigkeit auf; sie verliert ihr Verfügungsrecht über ein ererbtes oder vorher erworbenes Sparguthaben, kurzum, ihre persönliche Bewegungsfreiheit ist allzusehr eingeschränkt und steht mit der modernen Entwicklung nicht mehr im Einklang. Das alles ist doch wohl Grund genug für die Arbeiterfrau, zu kämpfen.“8


1 Jeanne Rouff, “Un office essentiellement viril : les premières femmes au barreau de Luxembourg”, in Wenn nun wir Frauen auch das Wort ergreifen, S. 207-222.

2 Georges Theves, Die Frau in der Medizin, in Bulletin de la Société des Sciences médicales, 2002, Nr. 2, S. 194f.

3 Renée Wagener, “Frauen aller Stände, beschreitet den Weg der Selbsthilfe”, in: Germaine Goetzinger, Antoinette Lorang, Renée Wagener (Hrsg.) “Wenn nun wir Frauen auch das Wort ergreifen…”, Luxembourg 1997, S. 118-119.

4 L’Action féminine – Monatszeitschrift für die Interessen der Frau, Nr.8 (15.05.1928), S. 2.

5 L’Action féminine – Monatszeitschrift für die Interessen der Frau, Nr.1 (15.10.1927), S. 3-4.

6 Tageblatt vom 20. März 1929 Nr. 11

7 Tageblatt vom 20. März 1929 Nr. 11

8 Tageblatt vom 20. März 1929 Nr. 11