8. Mäerz

Internationale Fraendag

  • Deutsch
  • Français

1931-1944

Zurück an den Herd?

Die Dreißigerjahre sind bestimmt von einem gesellschaftlichen Roll Back. Derweil die traditionellen Frauenarbeitssektoren – Landwirtschaft, Textil- und Heimindustrie – zurückgehen, wird den Frauen der Eintritt in die neuen Dienstleistungssektoren erschwert. Konservative Politiker verweisen sie auf ihre Rolle als Hausfrauen und Mütter.

Das bürgerliche Gesetzbuch, der seit der Herrschaft Napoleons gültige Code civil von 1804, bestimmt die Unmündigkeit der verheirateten Frau:

  • Den Frauen ist es zum Beispiel verboten, ohne Erlaubnis des Mannes außer Haus zu arbeiten, ein Bankkonto zu eröffnen, einen Vertrag zu schließen, die gemeinsamen oder ihre eigenen Güter zu verkaufen, zu kaufen, zu verwalten, eine Schenkung zu machen oder anzunehmen.
  • Allein der Vater besitzt die elterliche Autorität.
  • Der Ehemann hat das Recht, die Post seiner Frau einzusehen und den gemeinsamen Wohnsitz zu bestimmen, den sie ohne richterliche Erlaubnis nicht verlassen darf.
  • Dem Ehemann droht bei Ehebruch eine Geldstrafe, aber nur im Fall, wo er die Geliebte in der ehelichen Wohnung „unterhält”. Der Ehebruch der Ehefrau hingegen, egal ob daheim oder außerhalb des gemeinsamen Wohnsitzes verübt, wird mit einer Gefängnisstrafe geahndet.1

Die Forderung nach einer Reform des Code civil im Sinne der Emanzipation der verheirateten Frauen wird von den Frauenorganisationen gestellt und von verschiedenen Abgeordneten aufgegriffen. Der Gesetzesantrag des sozialistischen Abgeordneten Jean-Pierre Mockel von 1931 im Sinne der Emanzipation der verheirateten Frauen, der von der Frauenorganisation „Action féminine“ unterstützt wird, kommt zwar 1937 zur Abstimmung. Er wird verworfen, weil die Rechtspartei auf dem Prinzip des Code Napoléon beharrt, bei Scheidung eine Heirat mit dem neuen Partner zu verbieten.2

Auch die Auseinandersetzungen um die Nationalität der mit einem Ausländer verheirateten Frau verstärken sich in einem Kontext von zunehmendem Nationalismus und Ausländerfeindlichkeit. Zweimal wird das Gesetz zur Naturalisierung reformiert. 1934 geschieht das zugunsten der luxemburgischen Frauen, die bei einer Heirat mit einem ausländischen Partner durch Option ihre Nationalität behalten können. Doch schon 1939 wird die Reform rückgängig gemacht und die Luxemburgerinnen verlieren bei der Heirat mit einem Nicht-Luxemburger wieder ihre Nationalität .3

Eine weitere Auseinandersetzung, die den prekären gesellschaftlichen Status der Frauen offensichtlich macht, betrifft die Diskussion über das sogenannte „Doppelverdienertum“. Sie wird vom Privatbeamtenverband geführt, der ausländerfeindliche und berufsständische Positionen vertritt und in punkto Frauenerwerbstätigkeit eine konservative Haltung einnimmt:

„Wir […] stellen all jene Familien hier öffentlich an den Pranger, wo Mann und Frau je ein vollkommen ausreichendes Gehalt beziehen. Wenn der Mann genügend verdient, um seine Familie standesgemäß durchbringen zu können, dann soll die Frau daheim im häuslichen Kreise ihres Amtes walten.“4

Die Rechtspartei macht regelrecht Kampagne gegen die verheirateten Beamtinnen. 1934 wird per großherzoglichen Beschluss u.a. die Beschäftigung von weiblichen Büroangestellten auf dem gesamten Arbeitsmarkt, sowie die Weiterbeschäftigung von verheirateten weiblichen Angestellten durch den Staat, die Gemeinden, die Eisenbahnen und andere öffentliche Institutionen von einer Genehmigung des Arbeitsministers abhängig gemacht.5 1940 fordert der Geistliche und Abgeordnete Jean Origer gar, das Verbot der Erwerbstätigkeit der verheirateten Frauen auch auf Handel, Gewerbe und wirtschaftliche Aktivität auszudehnen. Die Motion Origers wird jedoch mit den Stimmen der Linken und der Liberalen verworfen.

Die Frauenorganisationen versuchen sich mit Unterschriftensammlungen und Presseartikeln zu wehren, haben jedoch inner- und außerhalb des Parlaments keine starke Lobby. Lediglich der Lehrerverband verteidigt seine weiblichen Mitglieder. Er zieht, unterstützt vom Verein „Action féminine“, gegen die Praxis vor Gericht, verheiratete Lehrerinnen aus dem Schuldienst zu entlassen. Doch obwohl er Recht bekommt, hat das Urteil keine Signalwirkung: Die gesellschaftliche Meinung richtet sich gegen die Erwerbstätigkeit von Ehefrauen.

Die Debatten werden jäh unterbrochen durch den Einmarsch der deutschen Truppen im Mai 1940. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges stellt auch in Luxemburg die Frauen vor Herausforderungen und Entscheidungen, die mit ihrer traditionellen Rolle unvereinbar sind. So ist es eine Ironie der Geschichte, dass, aufgrund des Männermangels im Transportwesen der Stadt Luxemburg, unter der Nazi-Besatzung Frauen als Schaffnerinnen tätig werden durften, eine Öffnung, die nach dem Krieg wieder für lange Jahrzehnte rückgängig gemacht werden wird.

Der Krieg verändert das Leben zahlreicher Frauen, ob sie zum Arbeitsdienst eingezogen werden, als Widerständlerinnen Flüchtlinge und Deserteure verstecken oder als Kollaborateurinnen in nationalsozialistischen Strukturen aktiv werden.6


1 Marguerite Biermann, Die Rechte und Pflichten der Luxemburger Frauen in: “Ons Stad” Nr. 77 (déc. 2004), S. 28-29.

2 Renée Wagener, Bye bye, Siegfried. Der lange Abschied der Luxemburger Frauen vom Patriarchat, in: „Not the girl you’re looking for. Melusina Rediscovered“, Luxembourg 2010, S. 223f.

3 Ebenda.

4 L’employé, 1.7.1933, N°7, S. 158, zitiert nach: Renée Wagener, Bye bye, Siegfried. Der lange Abschied der Luxemburger Frauen vom Patriarchat, in: „Not the girl you’re looking for. Melusina Rediscovered“, Luxembourg 2010, S. 225.

5 Ebenda, S. 228.

6 Sonja Kmec, Renée Wagener (et al.), Frauenleben–Frauenlegenden. Ein Streifzug durch 1000 Jahre Stadtgeschichte: Persönlichkeiten, Geschichte(n) und Hintergründe, Luxembourg, 2007,  S. 49.